40 Jahre Heimatgemeinschaft Schlegel

Eins, zwei, drei im Sauseschritt, läuft die Zeit,- wir laufen mit. Hat uns Wilhelm Busch gelehrt. Wer hätte vor 40 Jahren gedacht, dass unsere Heimatgemeinschaft in 40 Jahren noch Bestand hat.
Im Grunde genommen waren wir ja „Spätberufene“, als unser Heimatfreund Max Stephan, 34 Jahre nach der Vertreibung aus unserem geliebten Schlegel, fern der Heimat, die Gründung der Heimatgemeinschaft Schlegel als amtlich eingetragener Verein, in die Wege zu leiten in die Hand nahm. Die Schlegeler Kirchweih-Wallfahrt am 9. Juli 1978 in Neviges und die am 21. Januar 1979 stattfindende Josef Wittig Gedächtnisfeier anläßlich seines 100. Geburtstages in Meschede/Sauerland waren die Auslöser der Vereinsgründung.
Mit dem Gruß „Schlegel Glück auf“ eröffnete am 15. September 1979 Max Stephan die zweitägige Versammlung der ehemaligen Pfarrgemeinde St. Katharina, Schlegel, sowie die Tagung des in loser Form bestehenden Arbeitskreises Schlegel, um die Gründung der Heimatgemeinschaft Schlegel e.V. zu initiieren.
Es wurde eine Gedenkfeierstunde zum 30. Jahresgedächtnis unseres hochverehrten Prof. Dr. Josef Wittig gehalten, einen Berg-Kirchweih-Festgottesdienst, den unser Chorregent und Musiklehrer i.R. Josef Rolle, Schlegel, musikalisch begleitet hat. Außerdem wurde eine Auflage der Chronik der Gemeinde Schlegel beschlossen und eine Jubiläums Heimatfahrt in die Grafschaft Glatz und Schlegel im Sommer 1980 vorgestellt, anläßlich der 300 Jahrfeier der Einweihung der Bergkapelle (Kerchlaboarg) auf dem Allerheiligenberg in Schlegel eingeweiht am 1. November 1680. Die Durchführung dieser Reise oblag dem Heimatfreund, stellvertretenden Vorsitzenden der Heimatgruppe Grafschaft Glatz e.V. und Vorsitzenden des Neuroder Kreistages Georg Hoffmann.
Am 3. Mai 1980 war es dann so weit, dass der 1. Vorsitzende Max Stephan zur Gründungsversammlung der Heimatgemeinschaft Schlegel in die Gaststätte „Kleine Schweiz“ in Velbert-Tönisheide einladen konnte. Der Vorstand setzte sich zusammen aus dem 1. Vorsitzenden Max Stephan, dem 2. Vorsitzenden Organist und Chorleiter Richard Hauck und als 3. Vorsitzender wurde ich gewählt. Zum Schriftführer wurde Dr. Horst Stephan und als Schatzmeister Andreas Borkert ernannt. Weitere 8 Beisitzer unterstützen den Vorstand. Als Präses der Heimatgemeinschaft stellte sich unser Heimatpriester Pastor Erich Bittner bereit.
Georg Hoffmann hielt einen Vortrag zum Thema „Bedeutung und Erhaltung des Heimatgedankens“. Im Mittelpunkt des Vortrags stand der Gedanke „Heimat“ im Zusammenhang zu Europa und zur Welt“ zu sehen. „Heimat ist da, wo ihm andere eine Heimat bereiten“.
Viel Detailarbeit stand dem gewählten Vorstand bevor, um dem satzungsgemäßen Zielen „Dauerhafter Mittelpunkt aller Schlegeler und deren Kolonien“ zu sein. Die Pflege des Heimatgedankens zu fördern, Kultur und Bräuche zu erhalten, die Verwahrung des Kulturgutes zu sorgen und heimatkundliche Arbeiten über Schlegel zu unterstützen.
Im zweijährigem Rhythmus wurden die Mitglieder und alle Schlegeler Heimatfreunde zum „Schlegeler Kirchweihfest und Bergquartal eingeladen. Die meisten Treffen fanden in Velbert statt. Sie waren immer gut besucht und erfreuten sich eines gemütlichen Beisammensein und Austausch familiärer Nachrichten.
Nach der Wiedervereinigung der DDR zu Westdeutschland  fand das 10. Kirchweihfest am 18./19. Juni 1994 erstmals in Zwickau/Sachsen statt. Unter dem Motto: „Schlegel vereint! Nu sein mer oalle zosoamma!“ war ein überwältigender Erfolg. Über 400 Schlegeler kamen nach Zwickau, die Freude war groß. Viele hatten sich 47 Jahre nicht mehr gesehen, so sind manche Freudentränen vergossen worden. Auch Joachim Reinelt, Bischof von Dresden-Meißen, geboren in Neurode, war unter den Gästen.
Der überraschende Erfolg führte uns zum nochmaligen 11. Heimattreffen 1996 wiederum nach Zwickau unter dem Leitmotiv „50 Jahre Vertreibung – 50 Jahre fern doch treu“.  Unter den Gästen konnte August Hähnel auch Pfarrer Czernal, aus der Schlegeler Heimatkirche St. Katharina begrüßen, der mit seinem Kaplan und Dolmetscherin extra angereist war.
Die organisatorischen Vorbereitungen vor Ort lagen in den Händen unserer Heimatfreunde Gerda Freund, Manfred Rathmann und Scharnhorst Riedel. Gerda Freund hat am 7.10.1998 die „Inselgruppe Zwickau“ in der Gaststätte „Zur lichten Tanne“ für ehemalige Schlegeler und Vertriebene aus der Grafschaft Glatz gegründet, die mit 44 regionalen Treffen im Oktober 2019 wegen Nachfolgeproblemen leider ihr Ende fand.
Im Juli 1997 fuhren ca. 50 Mitglieder unserer Heimatgemeinschaft nach Schlegel zur Einweihung der Bergkapelle auf dem Allerheiligenberg, die nach der sinnlosen Zerstörung der Nachkriegsjahre, auch mit Unterstützung unsererseits sowie unseres Großdechanten Prälat Franz Jung durch Kaplan Jòsef Siemasz und seiner Jugendgruppe aufgebaut, im neuem Glanz erstrahlte. Horst Gebauer hat hier große Unterstützung geleistet und Baumaterialien sowie Farbe, auch für die Renovierung der Pfarrkirche St. Katharina, nach Schlegel transportiert.
Um den heimatlichen Zusammenhalt zu gewährleisten sind die Mitglieder zu Ostern und zu Weihnachten mit einem Heimatbrief begrüßt worden. Die Redaktion lag in den Händen von August Hähnel und wurde später von Dr. Horst Stephan übernommen. Er hat auch das attraktivere DIN 4 Format ab Weihnachten 2012 eingeführt und ließ ab Ostern 2014 sogar farbig drucken. Außer den Wünschen und Grüßen der jeweiligen Vorgesetzten kamen auch unsere Geistlichen, Pfarrer Erich Bittner und Großdechant Franz Jung mit einer Grußbotschaft zu Wort.
Für die personenbezogenen Nachrichten im Grafschafter Boten sorgte Elmar Feige bis zu seinem Tod, danach übernahm die Aufgabe Christine Simon.
Unser Gründungspräsident Max Stephan leitete die Heimatgemeinschaft Schlegel von 1979 bis zu seinem Tod 1989.
Sein Nachfolger wurde August Hähnel von 1989 bis 2002. Er wurde im Januar 2004 mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland – Verdienstkreuz am Bande – ausgezeichnet.
Elmar Feige übernahm den Vorsitz 2002 bis zu seinem völlig unerwarteten Tod 2012.
Seit 2012 leitet Horst Gebauer als Vorsitzender die Heimatgemeinschaft Schlegel mit sehr viel Engagement und Herzblut, wie es auch seine Vorgänger ihm vorgelebt hatten.
Horst Gebauer hat die Heimatgemeinschaft ins neue Zeitalter geführt und eine Internetseite www.hgs-schlegel.de erstellt, die häufig aufgerufen wird.
In den 4 Jahrzehnten hat die Heimatgemeinschaft viele seiner treuen Mitglieder aus Altersgründen und Tod verloren. Wir trauern ums sie und gedenken in herzlicher Verbundenheit mit einem herzlichen und traurigen „Schlegel Glück Auf“ an sie. Dabei gedenken wir im Besonderen an die beiden Ehrenvorsitzenden, unsere herzenzliebe Anca Wittig und an meinen Vater, Moritz Thienelt, Träger des Verdienstkreuz am Bande, Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.
Fast vergessen und durch Miroslaw Jeczala auf dem Alten Südfriedhof in München wiederentdeckt das Grabmal des Schlegeler Kunstmaler und Akademie Prof. Wilhelm Hausschild (1827-1887). Er hat nicht nur die Fresken der Kuppel in der Bergkapelle (Kerchlaboarg) auf dem Allerheiligenberg in Schlegel gemalt, sondern auch die Darstellungen des Kreuzweges am Allerheiligenberg geschaffen. Berühmtheit gelangte er, als sein Gönner und Förderer Ludwig II, der Märchenkönig von Bayern, ihn beauftragte u. a. Deckengemälde in den Schlössern Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee zu gestalten.
Die Heimatgemeinschaft hat seinen stark verwitterten Grabstein 2018 restaurieren lassen, der jetzt im neuen Glanz an diese Persönlichkeit erinnert.
Um auch nachfolgenden Generationen unser Dorf Schlegel nachvollziehbar zu gestalten, haben wir einen Dorfplan herausgebracht mit den damaligen Straßennamen und dem Einwohnerverzeichnis von 1937. Dieser Dorfplan wurde in einer weiteren Auflage noch ergänzt und überarbeitet von Lorenz Zenker. Großen Anklang fanden unsere beiden Bildbände I und II  mit historischen Fotos und den dortigen Bewohnern. Gegliedert nach Straßen und Ortsteilen, sie dokumentieren die Größe und Vielfältigkeit sowie das reiche kulturelle Leben von Schlegel. Eine wahre Fundgrube für unsere Nachkommen. Diese Sisyphusarbeit verdanken wir Elisabeth Zöllner und ihrer Familie.
Die von Prof. Dr. Wittig 1943 erstellte Chronik über Schlegel, die nur als Abschrift vorlag und von Dr. Horst Stephan überarbeitet wurde, ist 1983 in Buchform nachgedruckt worden, war jedoch relativ schnell vergriffen. In den letzten Jahren wurde sie erneut als gebundenes Buch mit ca. 400 Seiten überarbeitet und neu aufgelegt.
Unserem Vorsitzenden Elmar Feige war es ein großes Anliegen in Strackholt/Ostfriesland einen Gedenkstein zu setzen. Auf einer befestigten Tafel wird an die schlimmen Folgen der Vertreibung vom 24. Februar 1946 mit ca. 1.000 Einwohner aus Schlegel erinnert. Sie soll nachfolgende Generationen mahnen, nie wieder menschenverabscheuende Gräueltaten zuzulassen. Die Einweihung erfolgte am 5.7.2008.
Zwei Jahre danach konnte auch in Köthen/Anhalt am 21.8.2010 ein 1,8 to. schwerer roter Gedenkstein aus einem Steinbruch in Schlegel auf dem Köthener Bahnhofsvorplatz aufgestellt werden. Auf einer Bronzetafel wird an die am 2.11.1946 vertriebenen 1.500 Bewohnern aus Schlegel erinnert, die damals als Erste in der Sowjetischen Besatzungszone landeten. Durch die vielen Fahrten in die Grafschaft Glatz, die teils durch Georg Hoffmann und auch durch Dr. Horst Stephan organisiert und durchgeführt wurden, konnten die anfangs sehr kritischen und ablehnenden Begegnungen abgebaut und sogar zu freundschaftlichen Kontakten ausgebaut werden.
Georg Hoffmann war unser Grafschafter Botschafter und Vermittler zwischen den heutigen Bewohnern und uns Vertriebenen. Er hat maßgeblich zur Versöhnung beigetragen und viele Maßnahmen zur Renovierung bestehender Kulturgüter gesorgt. Ein Hauptanliegen war die Erhaltung und Umwidmung des Neusorger Wittig Hauses. Er hatte wesentlichen Anteil, daß dieses Haus zum „Prof.-Josef-Wittig-Museum eröffnet worden ist. Er hat auch die Wittig-Symposien mitgestaltet, bis er merkte, dass sich vor Ort ein Wandel andeutete, den er nicht mitzutragen bereit war.
Zum Abschluß unser Heimatschreiber und Theologe Professor Dr. Joseph Wittig:
„Wen das Leben aus Heimat und Vaterhaus hinaus führt,
der muß draußen schlecht werden, wenn er sich nicht in der Fremde eine Heimatecke einrichtet.
Das muß die Station sein, welche die unsichtbaren Kraftwellen der Heimat aufnimmt und in das heimatferne Herz weiterleitet.“

Oktober 2020                                                Arno-Moritz Thienelt